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FHWien

Moore sind entscheidend für Klima- und Artenschutz, doch in Österreich sind 90 % der historischen Moorflächen zerstört. Trotz politischer Strategien wie der „Moorstrategie 2030+“ wird der Moorschutz durch widersprüchliche Praktiken wie Torfimporte und subventionierte Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen untergraben. Die datenjournalistische Recherche zeigt, warum Moore mehr öffentliche Aufmerksamkeit verdienen – und welche Projekte sich bereits ihrem Schutz widmen. 







Vergessene Klimaschützer

Österreichs Moore verschwinden - und wir bemerken es nicht











von Laura Pfundner

Geheimnisvolle Lebensräume zwischen Wasser und Land...

Moore sind faszinierende Ökosysteme: Sie sind Wasser- und Landfläche zugleich und beheimaten eine Vielzahl seltener Tiere und Pflanzen.

Grundsätzlich entstehen Moore dort, wo der Boden ganzjährig nass ist – etwa durch hohe Niederschläge oder ständigen Bodenwasserzutritt. Neben dem Wasserhaushalt beeinflussen auch Klima, Gesteinsuntergrund, Oberflächenstruktur sowie Stoffkreisläufe die Entwicklung eines Moores.

Das Wasser füllt die Poren im Boden und schließt Sauerstoff aus. Dadurch zersetzen sich abgestorbene Pflanzenteile nicht wie in trockenen Böden, sondern lagern sich ab. So entsteht über Jahrtausende das Herzstück des Moores - der charakteristische Torfboden. Dieser sensible Prozess braucht viel Zeit: im Durchschnitt wachsen Moore nur etwa einen Millimeter pro Jahr.



... und vom Aussterben bedroht

In Europa gelten 25 % der Moore als degradiert – heißt, ihre Bodenprofile sind geschädigt. Innerhalb der EU sind es sogar 50 % (120.000 km²). Der Anteil beschädigter Moore steigt von Norden nach Süden deutlich an. Gleichzeitig nimmt der Anteil geschützter Moorflächen in diese Richtung ab. Damit hat unser Kontinent weltweit den größten proportionalen Moorverlust.

0%

der österreichischen Moorflächen sind bereits verloren.

Von denen, die noch erhalten sind, zeigen zwei Drittel gestörte Wasserhaushalte auf.

Gründe sind die lange Besiedlungsgeschichte, hoher Bevölkerungsdruck und die klimatische Eignung für Landwirtschaft – der zentrale Treiber der Moorentwässerung. Torfabbau, Oxidation und Erosion haben viele Moore so stark verändert, dass sie heute als mineralische Böden gelten.



Der Verlust von Mooren wirkt sich unter anderem negativ auf unsere Biodiversität aus:

Heimat bist du vieler Arten

Viele seltene und stark bedrohte Tier- und Pflanzenarten leben in Mooren. Sie haben sich an die extremen Bedingungen – Nässe, Nährstoffarmut, Sauerstoffmangel – angepasst und finden außerhalb kaum geeignete Lebensräume. Einige wenige davon sind:

Diverse Sonnentau-Arten

Der große Brachvogel

Torfmoosarten: in Österreich gibt es etwa 40 verschiedene

Der Goldene Scheckenfalter

Sumpfgladiole



Und hat vor allem negative Auswirkungen auf unser Klima:

Unterschätzte Klimaschützer

Moore sind für den Klimaschutz von zentraler Bedeutung:

Obwohl sie nur drei Prozent der weltweiten Landfläche bedecken, speichern sie doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen. In ihren nassen, sauerstoffarmen Böden lagern sie über Jahrtausende organisches Material ein und verhindern so die Freisetzung riesiger Mengen klimaschädlicher Gase. Werden Moore jedoch entwässert, gelangen CO₂ und Lachgas in die Atmosphäre – mit gravierenden Folgen für das Klima. Die Bedeutung von Mooren für die Umwelt und was Gartenerde damit zu tun hat, zeigt folgendes Video:



Welchen Einfluss degradierte Moore an den Treibhausgasemissionen in Österreich haben, kann nicht zuverlässig berechnet werden. Dazu fehlt es an Daten zur Fläche organischer Böden. Doch es gibt Zahlen aus Deutschland:

Ich bin damit einverstanden, dass mir Diagramme von Datawrapper angezeigt werden.

Im Jahr 2022 machten die Treibhausgasemissionen aus Mooren 7,1 Prozent der gesamten Emissionen in Deutschland aus – und lagen damit sogar leicht über dem Anteil der Industrieprozesse, der bei 6,9 Prozent lag.

Das Problem ist jedoch keineswegs auf unsere Breiten beschränkt:

Ich bin damit einverstanden, dass mir Diagramme von Datawrapper angezeigt werden.

[Die Berechnungen basieren auf der für die Forst- und Landwirtschaft sowie den Moorabbau geschädigte Moorgebieten und den Emissionsfaktoren des IPCC (2014), die Treibhausgasemissionen (eng. GHG), also CO2, CH4, N2O, DOC, und Emissionen aus Gräben inkludiert. Enthält nur die Netto-Treibhausgas-Emissionen vor Ort. Emissionen aus Waldbränden sind nicht enthalten.]





Ihr Schutz und ihre Wiedervernässung sind deshalb unverzichtbare Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel.

Heimische Moore

Wertvoll, bedroht - und kaum erfasst

In Österreich sind Moore weit verbreitet, jedoch ungleichmäßig verteilt – vor allem in den niederschlagsreichen Regionen Westösterreichs kommen sie häufiger vor:

[Darstellung anhand der Moorstrategie Österreich 2030+]

Trotz ihrer ökologischen und klimaschutzrelevanten Bedeutung ist die Datenlage zur Verbreitung und zum Zustand österreichischer Moore lückenhaft. Besonders wenig ist über Hochlagenmoore bekannt.

Die Moorfläche in Österreich wird je nach Quelle zwischen 20.000 bis 30.000 Hektar geschätzt, genaue Daten liegen jedoch nicht vor. Zwar gibt es Erhebungen seit über 100 Jahren – wie den Moorkataster 1911 und den Moorschutzkatalog 1992 –, doch wurden diese mit sehr unterschiedlichen Methoden und Zielsetzungen durchgeführt. Während anfangs vor allem Torfvorkommen im Fokus standen, rückten später Vegetation und nun zunehmend auch Klimaschutzaspekte in den Vordergrund.

An dieser Stelle sollte die Entwicklung heimscher Moore über die letzten Jahrzehnte anhand einer Österreich-Karte dargestellt werden - doch das ist nicht so einfach:



Die Datenlage reicht nicht aus, um Flächenveränderungen von Mooren über die Zeit zu erkennen – frühere und heutige Erhebungsmethoden sind kaum vergleichbar. Während früher mit Karten im Maßstab 1:50.000 gearbeitet wurde, nutzt man heute hochauflösende Luftbilder und GPS im Gelände. Und die Daten von 1911 erfassen nur Torflagerstätten, keine lebendigen Moore.

Gerhard Egger, Umweltbundesamt

Laufende Projekte sollen hier künftig für mehr Klarheit sorgen. Ein aktualisiertes Moorinventar ist laut Egger in Arbeit und soll im Juli 2025 vom Umweltbundesamt veröffentlicht werden.

Moorböden unter Druck

Schutz in der Theorie, Nutzung in der Praxis

Obwohl Moore in Österreich rechtlich geschützt sind – etwa durch internationale Vereinbarungen wie die Alpenkonvention oder nationale Naturschutzgesetze – bleibt der tatsächliche Schutz oft lückenhaft. Behörden erteilen regelmäßig Ausnahmegenehmigungen für Eingriffe, die von Umweltorganisationen scharf kritisiert werden. Die Praxis zeigt:

Neun von zehn Verfahren enden zugunsten der Antragsteller. Der Schutzstatus ist rechtlich schwach, die Interessenabwägung fällt meist zulasten des Naturschutzes aus.

Welchen Einfluss hat die Wirtschaft auf die Entwässerung von Mooren?

Ein Großteil der noch vorhandenen Moorböden wird landwirtschaftlich genutzt – vor allem für Weidewirtschaft und Futteranbau. Eine Umstellung auf moorschonende Bewirtschaftung oder gar eine vollständige Nutzungsaufgabe würde vielen Betrieben wirtschaftliche Verluste bringen. Entsprechend groß ist der Widerstand gegen strengere Schutzmaßnahmen.

Wie steht es um den Abbau von Torf in Österreich?

Torf ist das Herzstück von Mooren: er entsteht durch die Zersetzung pflanzlicher Substanzen. Historisch wurde er als Brennstoff eingesetzt, heute gilt er vor allem als Rohstoff in der Garten und Landwirtschaft.

Obwohl in Österreich nur noch wenig Torf abgebaut wird, bleibt der Import hoch – im Jahr 2020 waren es rund 120.000 Tonnen. Das Problem wird also nur verlagert. Die Nachfrage ist ungebrochen, Ersatzstoffe sind noch nicht überall konkurrenzfähig. Der ökologische Preis dafür: Der Torf stammt häufig aus stark bedrohten Moorgebieten im Baltikum und anderen Teilen Europas.

Gibt es denn keine Alternativen, die Moore vor der Entwässerung schützen?

Wirtschaftlich tragfähige Alternativen wie Paludikultur (zur land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Mooren) befinden sich noch in der Erprobung. Förderungen und Entschädigungen reichen bislang nicht aus, um Betriebe zur Umstellung zu bewegen. Die nötigen Rahmenbedingungen für einen breiten Wandel fehlen.

Was heimische Moore brauchen

Der Schutz von Moor- und Torfböden ist ein zentrales gesellschaftliches Anliegen – und ein Beitrag zu den globalen Nachhaltigkeitszielen. Er ist in internationalen Verpflichtungen verankert und spiegelt sich in den Naturschutzgesetzen der Bundesländer wider. Die Verantwortung liegt zwar primär bei den Ländern, doch Entscheidungen in Bereichen wie Klima-, Natur- und Wasserwirtschaft, Raumordnung oder Landwirtschaft haben großen Einfluss auf die Umsetzung.

Was es braucht, ist ein übergreifendes Handlungsfeld mit gemeinsamen Werten, Prinzipien und Zielen. Sektorale Politiken sollten sich nicht gegenseitig behindern – sondern gezielt unterstützen.

Und wie bereits erwähnt: die Forschungslücke muss geschlossen werden. Es fehlt sowohl an Kartierungen zur Moorverbreitung in Österreich, als auch an Daten zu Treibhausgasemissionen und Kohlenstoffvorräten.

Kampf ums Moor

Projekte, die Hoffnung machen

Was kann ich zum Moorschutz beitragen?

Quellen:

Gerhard Egger, Umweltbundesamt Österreich

https://greenpeace.at/uploads/2022/07/factsheet_blumenerde_maerz22.pdf

https://life-amoore.at/wp-content/uploads/2024/06/Moorstrategie-Oesterreich-2030_ND2024.pdf

https://link.springer.com/article/10.1007/s10113-023-02166-4

https://naturschutzbund.at/files/projekte_aktionen/ramsar_konvention/Mooratlas2023_Oesterreich_Web_20230123_final.pdf

https://rudolphina.univie.ac.at/moore-in-gefahr-warum-wir-das-oekosystem-moor-jetzt-schuetzen-muessen

https://www.boell.de/de/2023/01/10/was-ist-ein-moor?gad_source=1&gad_campaignid=19491456165&gbraid=0AAAAADeE0X_9KdRqHGjSE0Ra_kkgTDh_c&gclid=CjwKCAjw56DBBhAkEiwAaFsG-vsHmi-Jw3cSSiUNTTDIOKKqwM_82cx3cNoCTZoGCoKQfudntl8WfxoC4qQQAvD_BwE

https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/moore/moore-und-klimawandel/13340.html

https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/degradierung/17107

https://www.springerprofessional.de/content/pdfId/26961114/10.1007/978-3-662-67864-0_4#page=28.80

https://www.umweltbundesamt.at/naturschutz/projekte/aktualisierung-moorschutzkatalog

https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland#entwicklung-der-f-gase-teil-fluorierte-kohlenwasserstoffe-schwefelhexafluorid-und-stickstofftrifluorid

https://www.wwf.at/wp-content/uploads/2021/12/OeB_WWF_Moorschutz-und-alpiner-Bodenschutz-2022_final.pdf https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1427338/umfrage/treibhausgasemissionen-aus-geschaedigten-moorgebieten-in-ausgewaehlten-laendern/ https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1430247/umfrage/anteil-der-treibhausgasemissionen-aus-mooren-an-den-gesamtemissionen/ https://www.data.gv.at/katalog/dataset/ea26a2de-5d6b-4a2d-ba1f-4956f0ff8a40 https://www.zobodat.at/pdf/Gruene-Reihe-Lebensministerium_1_0001-0509.pdf https://www.abfallwirtschaft.steiermark.at/cms/dokumente/10293261_46555/3d07fc59/Torf2.pdf https://www.zukunftsraumland.at/nachbericht-klimaschutz-und-lebensraum-torf-und-feuchtgebiete-im-fokus/ https://unric.org/de/17ziele/