In der Küche zu arbeiten ist ein Knochenjob. Die Bedingungen sind fordernd, die Arbeitszeiten lang und der Ton oft rau. Lange wurde der Beruf der Köch:innen vorwiegend mit Männern in Verbindung gebracht – eine Denkweise, die sich allmählich wandelt. Denn: Es gibt viele Frauen in der Gastronomie. Sie stehen nur nicht immer in der ersten Reihe.
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Parvin Razavi ist eine dieser Frauen, die beim Kochen ihre Leidenschaft gefunden hat. Begonnen als Foodbloggerin gestaltete sie ihre eigene Kochsendung und schrieb Kochbücher, bevor sie schließlich ohne klassische Ausbildung in die Gastronomieszene wechselte. Seit 2022 ist Razavi Küchenchefin im Restaurant &Flora in Wien Neubau, wurde als „Newcomerin des Jahres“ ausgezeichnet und erkochte sich innerhalb eines Jahres drei Gault&Millau-Hauben.
Parvin Razavi setzt in ihrer Küche auf weibliche Stärke und ist bestrebt, insbesondere Frauen für den Köch:innen-Beruf zu begeistern. „Die Küche ist aber nach wie vor männerdominiert“, sagt sie. Das zeige sich darin, dass nur vereinzelt Bewerbungen von Frauen eingehen.
Geht es um Frauen in der Gastronomie, so werden in der Regel weniger ihre Erfolge als vielmehr ihre Inexistenz in der Branche thematisiert. Aber ist das so? Sind Männer in der österreichischen Kulinarik-Landschaft tatsächlich in der Überzahl?
Das ist die Anzahl an Frauen, die hierzulande Vollzeit in der Gastronomie tätig sind, wie die Beschäftigungsstatistik der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) darlegt. Verglichen mit den 49.941 männlichen Beschäftigten, zeigt sich, dass mehr als die Hälfte der in der Gastronomie arbeitenden Menschen Frauen sind. Wieso dennoch Männer häufiger als Aushängeschilder der Branche repräsentiert werden, liegt daran, dass die Spitzenpositionen in den meisten Fällen von ihnen besetzt sind. Die Dominanz wird deutlich, wenn man sich die Rangliste der „100 Best Chefs Austria“ des Branchenmediums Rolling Pin ansieht. Theresia Palmetzhofer, Astrid Krainer, Milena Broger und Elisabeth Grabmer sind die einzigen Köchinnen, die angeführt werden. Die restlichen 96 Preisträger sind Männer.
Rolling Pin ist aber kein Einzelfall. Auch andere, international renommierte Restaurantführer – darunter Guide Michelin, Gault&Millau und The World’s 50 Best Restaurants – prämieren überwiegend Männer. Aktuell etwa werden alle 16 Sterne-Restaurants in Österreich von männlichen Chefs geführt. Für Köchinnen wurden unterdessen eigene Auszeichnungen ins Leben gerufen. Viele Branchenmedien verleihen jährlich einen „Best Female Chef Award“. Ein Preis, der in der Gastronomie gemischte Reaktionen hervorruft. Einerseits begrüßen viele die Anerkennung von Köchinnen, andererseits wird kritisiert, dass die Leistungen von Frauen nicht auf demselben Niveau wie dem der Männer bewertet werden.
Günther Fuchs ist Obmann vom „Verband der Köche“ in Wien und unterrichtet außerdem als Kochlehrer an der Tourismusschule Bergheidengasse. Dass Frauen im Köch:innen-Beruf in der Unterzahl sind, zeigt sich auch anhand der Mitglieder seines Verbands: „Obwohl wir uns bemühen, Frauen gleichermaßen wie Männer anzusprechen, ist aktuell leider nur ein minimaler Prozentteil unserer Organisation weiblich.“
An generellem Interesse, als Köchin zu arbeiten, mangle es beim Nachwuchs laut Fuchs jedoch nicht: „In der Schule, in der ich arbeite, sind wesentlich mehr junge Frauen als Männer und viele der Schülerinnen fallen mit großartigen Leistungen auf.“ Nur selten aber führe sie ihr Weg schließlich in die Gastronomie. Die Gründe dafür sieht Günther Fuchs neben mangelnder Work-Life-Balance auch bei der fehlenden Motivation von außen: „Es gibt tolle Köchinnen, die für die jungen Talente als Vorbild dienen können, aber sie werden kaum gezeigt.“
Familienunfreundlich und sexistisch
Die unzureichende Work-Life-Balance ist zweifelsohne ein Thema, das Menschen davon abhält, in der Gastronomie Fuß zu fassen – davon sind jedoch sowohl Frauen als auch Männer gleichermaßen betroffen. Entscheiden sich Frauen dazu, Köchin zu werden, entgegnen ihnen noch eine Reihe weiterer Herausforderungen. Sexismus und cholerisches Verhalten von Vorgesetzten sind in vielen Restaurantküchen gelebte Realität. Zudem erschweren unregelmäßige Arbeitszeiten die Familienplanung sowie die Vereinbarkeit von Haushaltspflichten und Care-Arbeit, die noch immer zum größten Teil von Frauen übernommen werden.
„Die Köchinnen sind da“, sagt der Kulinarik-Journalist Bernhard Degen. Er beschäftigt sich seit 2004 mit der österreichischen Gastronomie und betont, dass es vielfach an alten Denkmustern seitens der Journalist:innen scheitere, weswegen Köchinnen weniger Platz in der Berichterstattung erhalten würden. „Es gibt einige Journalist:innen, die noch an alten Stereotypen festhalten, die den Kochberuf als zu hart für Frauen ansehen und deshalb auch seltener von ihnen berichten“, sagt Degen.
Ein „Ignorieren, meist aber ohne böser Absicht“, nennt es Bernadette Bayrhammer. In ihrem beruflichen Alltag als Journalistin behandelt sie häufig kulinarische Themen und ist dabei, wie sie selbst sagt, „bestrebt, Frauen einen Platz zu geben“. Dennoch: „Man muss sich das selbst immer wieder bewusst machen.“ Hier komme es insbesondere auf die Formulierung an, denn in vielen Fällen etwa werde ausschließlich vom Inhaber und nicht der Inhaberin eines Restaurants berichtet, obwohl sich beide gleichermaßen verantwortlich zeichnen.
„Frauen sind seit Jahrhunderten diejenigen, die für das Essen zu Hause verantwortlich sind“, sagt Bayrhammer. In Zusammenhang mit Sterneküchen stehe aber der Mann im Rampenlicht. Ein Widerspruch, der nach der Journalistin von mehreren Faktoren abhängt, allen voran von traditionellen Geschlechterrollen, die in der Gesellschaft verankert sind. „Fast jeder Spitzenkoch, der mir spontan einfällt, hat Kinder. Und während die Familienplanung für Köche selten ein Hindernis zu sein scheint, können ähnliche Entscheidungen von Frauen maßgebliche Auswirkungen auf ihre Karrieren haben.“
Das Bild des „Chefkochs“ ist männlich
Geschlechterstereotypen wurden über Generationen hinweg von der Gesellschaft geformt – und von Medien weitergetragen. In männerdominierten Branchen, wie es die Gastronomie ist, kann dieser Umstand dazu führen, dass Leistungen von Frauen weniger anerkannt werden, was sich wiederum negativ auf den beruflichen Erfolg auswirken kann. Das bestätigt Kommunikationswissenschaftlerin Petra Herczeg: „Viele Studien zeigen, dass Frauen in der Berichterstattung generell unterrepräsentiert sind, unabhängig vom Berufsfeld.“ Das hänge auch damit zusammen, dass Männer oft eine größere Bereitschaft als Frauen zeigen würden, wenn es darum geht, die eigenen Ansichten öffentlich zu vertreten. „Manche Frauen sind zu selbstkritisch und neigen dazu, die eigenen Erfolge zu unterschätzen“, ergänzt Herczeg.
Wenn wenig von Köchinnen berichtet wird, dann verstärkt sich das stereotype Bild des männlichen „Chefkochs“ und entzieht jungen Frauen zugleich wichtige Vorbilder, das belegen Forschungsarbeiten. In diesem Zusammenhang kommt sowohl den journalistischen Medien als auch renommierten Restaurantführern eine bedeutende Rolle zu. Besonders in Hinblick auf den in der Gastronomie herrschenden Fachkräftemangel.
Emilia Orth-Blau ist leidenschaftliche Köchin, arbeitet jedoch nicht mehr in der klassischen Gastronomie. Bereits unmittelbar nach ihrer Ausbildung ist die 23-jährige in die Selbstständigkeit gewechselt und richtet seither kulinarische Events und private Dinner aus.
Während ihrer Ausbildung zur Köchin arbeitete Orth-Blau fast ausschließlich mit Männern zusammen. „Entweder wurde ich unterschätzt oder überschätzt, oft war ich auch einfach nur das ‚süße Mädchen‘.“ Obwohl nicht all ihre Erfahrungen negativ waren, hatte sie in der Küche dennoch überwiegend das Gefühl, sich extra aus dem Fenster lehnen zu müssen, „extra Gas geben“, um dieselbe Anerkennung wie ihre Kollegen zu erhalten.
Gleichermaßen stehe es um die Darstellung in der Berichterstattung: „Ich finde, dass die Aufmerksamkeit ungerecht verteilt ist“, sagt die Gastronomin. „Meistens wird über Köche berichtet.“ Aus ihrer Sicht müsste die Unterrepräsentation von Frauen in der Branche mehr zum Thema gemacht werden.
Trotz ihres Erfolgs als Unternehmerin gebe es nach wie vor Situationen, in denen ihr die Kompetenz abgesprochen werde. „Manchmal muss man schon fast ein wenig frech sein, um als Frau in einem professionellen Gespräch ernst genommen zu werden.“ Für solche Momente hat sie inzwischen ihre eigene Strategie: „Es beginnt beim Händedruck. Bereits da verdeutliche ich dem Gegenüber, dass jetzt auf Augenhöhe miteinander geredet wird.“
Initiativen von Frauen, für Frauen in der Gastronomie
Die Reportage „Zu viele Köche verderben den Brei“ ist 2024 im Rahmen einer Masterarbeit im Studiengang Journalismus & Neue Medien an der FHWien der WKW entstanden.
Interview-Partner:innen Bernadette Bayrhammer (Die Presse) Bernhard Degen (Gault&Millau Österreich) Emilia Orth-Blau (Rosa & Marie) Günther Fuchs (Verband der Köche Wien, HLTW Bergheidengasse) Parvin Razavi (&Flora) Petra Herczeg (Universität Wien)
Recherche und Gestaltung Derya Metzler
Kamera Felix Mossmeier