Ich glaube, ich glaube nicht, ich glaube...Von der Religiosität eines Landes
Emanuel Salvarani
Magdalena Willert
Ursi Zaiser
Wie viele Menschen in Österreich sind eigentlich religiös?
Die formale Religionszugehörigkeit aller Bürger*innen wurde nämlich zuletzt bei der Volkszählung 2001 mittels offenem Fragebogen erhoben. Damals erfuhr man von 98% der Menschen, die damals in Österreich lebten, die Religionszugehörigkeit.
Seitdem wurde auf die effektivere Registerdaten umgestellt. Das bedeutet, die Daten für die Volkszählung werden nur mehr mittels staatlicher Register aufgenommen, wie zum Beispiel dem Meldezettel. Auf dem Meldezettel kann man zwar seine Religionsbekenntnis preisgeben, muss man aber nicht, weshalb es zu keiner repräsentativen Erhebung der offiziellen Religionsbekenntnisse kommen kann.
Daten dazu bekommt man also nur von den Glaubensgemeinschaften selbst - aber nicht immer. Denn teilweise wissen die Glaubensgemeinschaften selbst nicht, wie viele Mitglieder sie eigentlich haben, wie beispielsweise die orthodoxen Kirchen. Die Zahlen beruhen dann auf Schätzungen. Andere Religionsgemeinschaften, wie die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ), veröffentlichen überhaupt keine Zahlen. Auch von der Israelitischen Kultusgemeinde waren auf Anfrage keine Zahlen zu bekommen. "Leider sind die von Ihnen gewünschten Daten bzgl. der Entwicklung des Mitgliederstandes
vertraulich und werden prinzipiell nicht veröffentlicht oder weiter gegeben."
Was also wie eine Größe wirkt, die recht einfach zu erheben ist - nämlich welches Religionsbekenntnis ein Mensch auf dem Papier hat - stellt sich als Suche nach der Nadel im Heuhaufen heraus. Und vielfach als Schätzungsmarathon.
Versucht haben wir es trotzdem. Wie viele Menschen in Österreich sind eigentlich religiös? Wie viele verlassen ihre Glaubensgemeinschaft? Und wie viele treten in eine neue ein? Scroll weiter, um es herauszufinden.
So sah's 2001 aus
In dieser Reportage haben wir uns bemüht, die Veränderungen zusammenzutragen. Dabei müssen wir uns auf die Angaben der Glaubensgemeinschaften verlassen. Dennoch haben wir zumindest versucht, sie zu überprüfen.
Auf der nächsten Seite findest du einen Überblick über einige Religionen in Österreich. Hinter jeder davon verbirgt sich eine Geschichte. Eine Datengeschichte, aber auch die Geschichten, die Menschen mit ihrer Religion haben. Scroll weiter, um mehr herauszufinden.
Wohin willst du gehen?
Wenn du von hier aus weiterscrollst, erfährst du mehr über Religion und Glauben in Österreich an sich.
Wie viele Menschen in Österreich gehören zu einer Religion?
Geht sich das überhaupt alles aus?
8 576 666
Religion und Gesellschaft
Der Religionswissenschaftler Julian Strube, Assistenzprofessor an der Universität Wien, spricht über die Organisation von Glaubensgemeinschaften im Laufe der Jahrhunderte und über die Messbarkeit von Religiosität in Zahlen.
Dr. Julian Strube
Universität Wien
Was bedeutet Religion eigentlich für uns Menschen?
"Allgemeingültig zu definieren, was das Besondere an Religion sei, das ist tatsächlich sehr schwierig."
Dr. Julian Strube
Universität Wien
Wie haben sich religiöse Gemeinschaften verändert?
Dr. Julian Strube
Universität Wien
Wie sehr sind Menschen den Religionen noch verbunden?
So fühlen sich manche Menschen sehr stark mit der Natur verbunden und sehen sie als Gott oder Gotteshaus.
Dr. Julian Strube
Universität Wien
Werden die Leute in modernen Gesellschaften weniger religiös?
Dr. Julian Strube
Universität Wien
Was sagen uns Mitgliedszahlen eigentlich?
Insgesamt sind Religiosität, Glaube und Spiritualität schwierig zu definieren - sodass jede*r für sich seine*ihre eigene Antwort finden muss.
Religion in Zahlen
Katholizismus - die österreichische Standardausstattung?
Aber wie erzkatholisch sind die Österreicher*innen tatsächlich noch? Wie viele Menschen sind noch katholisch? Wie viele treten aus? Und wie viele kommen noch neu dazu?
Standardausstattung Taufe?
Regionale Schwankungen
Der Bezirk mit den meisten Katholik*innen ist Hietzing. Rund 45% der Hietzinger Bevölkerung sind römisch-katholisch. In Favoriten dagegen sind es nur knapp 25%.
Eintritte und Austritte im Vergleich
Die Zahl der Eintritte bzw. Erwachsenentaufen (von Menschen über 14 Jahren) ist sehr gering.
Hineingeboren, hinausgestorben
Berücksichtigt man nun noch die jährlichen Austritte, überrascht es nicht, dass die katholische Kirche in Österreich immer kleiner wird. 2019 ist die Mitgliederzahl erstmals unter die Marke von fünf Millionen gefallen.
Hinter den Zahlen
Zwei Katholik*innen erzählen
Hinter den Zahlen
Raus hier
Besonders wichtig war für Andrea die Firmung mit 14 Jahren, vor allem, weil sie eine besonders innige Beziehung zu ihrer Firmpatin hatte.
Mit 24 hat Andrea auch noch kirchlich geheiratet, obwohl ihr Mann schon mit 18 aus der Kirche ausgetreten war. Aber ihr war eine kirchliche Eheschließung damals noch wichtig.
Aber nur wenige Jahre später hat auch sie die Glaubensgemeinschaft verlassen. Sie konnte sich einfach nicht mehr mit der Kirche identifizieren. Außerdem hat sie die Kirchensteuer gestört.
Trotzdem hat sie ihre Tochter nur wenige Monate nach ihrer Geburt taufen lassen. "Wir wollten, dass sie die Wahl hat", erklärt Andrea das.
Heute, mit 52, ist sie immer noch froh, aus der Kirche ausgetreten zu sein. Aber trotz ihres Austritts sieht sie sich weiterhin zumindest als spirituelle Person. "Ich glaube schon, dass da irgendwas ist", meint sie. Aber das sei kein Gott nach der katholischen Vorstellung. Und sie brauche keine Gemeinschaft, um daran glauben zu können.
Die Kirche der Reformen
Deutlich kleiner ist dann schon die H.B., was für Helvetisches Bekenntnis steht. Die Reformatoren Zwingli und Calvin (er war Schweizer, daher Helvetisches Bekenntnis) haben Luthers Bekenntnis noch ein weiteres Mal abgewandelt. Die beiden Bekenntnisse unterscheiden sich vor allem im Aufbau der Gottesdienste und in ihrer Sicht auf das Abendmahl. Sie gehören formal nicht zusammen, arbeiten aber in vielen Bereichen zusammen.
Eine kleine Gruppe von etwa 1500 Menschen ist evangelisch-methodistisch. Diese Tradition stammt aus Amerika und fußt stark auf einer strengen Lebensführung nach biblischen Grundsätzen. Die evangelisch-methodistische Kirche ist eine von weltweit rund 80 methodistischen Kirchen.
Die evangelischen Kirchen haben alle ein Ursprungsdatum. Den 31. Oktober 1517. Damals veröffentlichte der Pfarrer Martin Luther seine 95 Thesen zur Erneuerung der katholischen Kirche. Lange Zeit wurden Menschen, die sich an diesen Thesen orientierten und zu sogenannten Protestant*innen wurden, politisch verfolgt. Erst mit dem Toleranzedikt des Kaisers Josef II. im Jahr 1781 wurde ihnen die Religionsausübung wieder offiziell erlaubt.
Die Zahlen sinken
Ähnliche Probleme
Dazu kommt die hohe Zahl der Austritte. Sie übertrifft die Zahl der Kircheneintritte um ein Vielfaches.
Was ist das eigentlich für eine Religion?
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Woran glauben orthodoxe Christ*innen?
Wie viele orthodoxe Christ*innen gibt es in Österreich?
Wie viele orthodoxe Christ*innen gibt es in Österreich?
Die letzten offiziellen Zahlen der orthodoxen Christ*innen stammen aus dem Jahr 2014. Damals waren es ca. 500 000 Gläubige in ganz Österreich.
Ein paar Zahlen gibt es trotzdem...
Wie viele Mitglieder die einzelnen Kirchen haben, ist jedoch schwierig zu überprüfen. Es gibt zwar Schätzungen, diese schwanken allerdings so stark, dass es fast unmöglich ist zu sagen, welche davon annährend richtig sein könnte.
Hinter den Zahlen
Eine rumänisch-orthodoxe Frau erzählt
Ihre Kindheit hat sie bei ihren Großeltern auf dem Land verbracht. Ihr Großvater war Kantor, sodass sie sehr viel vom religiösen Leben mitgenommen hat. Besonders die Musik. Schon früh beginnt Adriana, Klavier zu spielen. Es wird ihre größte Leidenschaft und sie bekommt eine Reihe an Stipendien für ihr Klavierspiel. Bis heute arbeitet sie als Klavierlehrerin und spielt auf Konzerten.
Adriana
Rumänisch-orthodoxe Gläubige
Die "religiöse Phase"
Und dann kam das Klavier...
"Wenn man einmal glaubt, dann glaubt man"
Eine Glaubensgemeinschaft ist ihr dabei nicht so wichtig. Es geht ihr mehr um den Glauben an sich.
Kindertaufe Ja oder Nein?
Andere sind weniger überzeugt
Im Interview erzählt sie, wie Glaube in ihrer Kindheit gelebt wurde und wie sie heute zu Religion und dem orthodoxen Glauben steht.