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Entwurzelt: Der letzte Sommer auf dem Feld?
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Entwurzelt: Der letzte Sommer auf dem Feld?

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Ein Bauer wird enteignet

In der 3.000-Einwohner-Gemeinde Lichtenwörth südlich von Wien kämpfen sieben Bauern und Grundbesitzer um ihre Äcker. Die Politik möchte hier ein Straßenbauprojekt realisieren – und stößt auf Widerstand.

Eine Multimedia-Reportage von Afifa Akhtar, Amira Ali, Sebastian Deiber und Katharina Fallmann. Mit Fotos von Anna Zehetgruber.
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Lichtenwörth ist eine Gemeinde östlich von Wiener Neustadt. Im Herbst sollen hier die Bauarbeiten für ein 4,8 Kilometer langes Straßenbauprojekt starten, dessen Idee schon in den 1970er Jahren entstanden ist. Der sogenannte “Ringschluss” soll die verkehrsbelastete Innenstadt Wiener Neustadts entlasten. Und die Straße soll direkt durch Bauer Gribitz’ Feld führen.

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Über 90 Grundbesitzer:innen sind direkt vom Straßenbau betroffen. Die meisten von ihnen haben ihre Äcker verkauft.

Gegen die restlichen sieben wurde vom Land Niederösterreich ein Enteignungsverfahren eingeleitet. Die Begründung: Öffentliches Interesse.

Neben Hans Gribitz wehrt sich auch Grundbesitzer Christian Fenz. Er erinnert sich zurück an die Anfänge der Enteignungsdiskussion.
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Gribitz und Fenz haben mit anwaltlicher Hilfe ein Veto gegen die Zwangsenteignung eingeleitet. Sie wollen ihre Äcker nicht kampflos aufgeben. Am Landesverwaltungsgericht soll nun über den Fall entschieden werden.
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Auch Bauer Hans Gribitz ist hoffnungsvoll. Sein Wunsch ist, dass die Politik gemeinsam mit unabhängigen Experten und Expertinnen nach neuen, zukunftsorientierten Alternativen sucht.

An Klaus Schneeberger, den amtierenden ÖVP-Bürgermeister von Wiener Neustadt, hat er eine klare Botschaft.
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Asphaltierte Zukunft?

Klaus Schneeberger ist seit 2015 als Bürgermeister Wiener Neustadts tätig. In seiner Amtsperiode soll nun die lang erwartete Ostumfahrung gebaut werden. Die Stadtpolitik erhofft sich mit dem Ringschluss eine Entlastung des Straßenverkehrs in der Innenstadt.

Zum Interview hat er uns in den grünen Stadtpark gebeten.
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Mit Stand Juni 2024 wurde Medienberichten zufolge auf Antrag der Stadt Wiener Neustadt eine Verkehrsanalyse durchgeführt. Inkludiert sind dabei Zählungen in der Grazer- und Nestroystraße.

Jeden Tag fahren zwischen 21.000 und 25.600 Fahrzeuge durch die Straße. Auf der benachbarten Nestroystraße sind es 11.000 Kraftfahrzeuge täglich.

Mit dem Ringschluss soll sich der Verkehr auf der Grazer Straße auf 12.600 bis 15.000 Fahrzeuge pro Tag und auf der Nestroystraße auf 7.000 bis 8.000 reduzieren lassen. Ziel der Entlastung ist nicht nur die Verbesserung des Verkehrsfluss, sondern auch die Steigerung der Lebensqualität der Anwohner:innen.
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Es sind noch weitere Maßnahmen für die Grazer Straße in Planung.

77 Prozent der Fläche der Straße werden derzeit für den Kfz-Verkehr genutzt. 20 Prozent sind den Fußgänger:innen gewidmet, ein Prozent für Grünflächen und null Prozent für den Radverkehr.

Ab 2030 soll durch komplette Um- und Rückbauten die Flächennutzung in der Grazer Straße anders verteilt werden: 43 Prozent für den Fahrzeugverkehr, 11 Prozent Grünflächen und 17 Prozent für den Radverkehr.

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Dass einige Landwirte durch die Ostumfahrung enteignet werden, ist der Politik und dem Bürgermeister bewusst.

Dennoch wird dies als notwendiger Schritt für das Gemeinwohl in Kauf genommen.
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Kritik an der Ostumfahrung wird auch von der Bevölkerung Wiener Neustadts geäußert. Initiatoren und Initiatorinnen setzen sich für eine Volksbefragung und einen Austausch mit der Politik ein. Doch ohne Erfolg. Laut Schneeberger sei die Ostumfahrung ein Projekt des Landes Niederösterreich und liege nicht in seinem Wirkungsbereich.

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Einen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern lässt die Politik damit außen vor.

In einem offenen Brief forderten auch zahlreiche führende Wissenschaftler den Gemeinderat von Wiener Neustadt auf, aus Gründen der demokratischen Teilhabe einer Volksbefragung zuzustimmen. Auch in diesem Fall blieb der Erfolg aus.
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Bürgermeister Schneeberger versteht die Einwände der Kritiker:innen gegen die geplante Ostumfahrung.

Dennoch sieht er keine Alternativen zu diesem Projekt. 
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Laut einem Monitoring-Bericht der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) im Jahr 2022, zählte Wiener Neustadt mit einem Flächenverbrauch von 536.7 m² pro Kopf zu Österreichs Betonhauptstädten.

Der Bau des Ringschlusses ist das letzte fehlende Stück, um den Straßenring Wiener Neustadts zu vervollständigen. In der Ära Schneeberger soll er mit allen Mitteln umgesetzt werden. 


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"Man kann den Stau nicht wegbauen"

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Prof. Günter Emberger von der Technischen Universität Wien kann den Neustädter Umfahrungsplänen nichts abgewinnen. Die Logik, der Ringschluss würde zu einer Entlastung führen, hält der Verkehrswissenschftler für “eine Denke aus den 80er-Jahren”.
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Die Umfahrungsstraße werde Wiener Neustadts Verkehrsproblem nicht lösen, sagt Emberger: “Man kann Stau nicht wegbauen. Neue Straßen kreieren mehr PKW-Verkehr, bis wieder ein Flaschenhals entsteht. Sie fördern auch die Zersiedelung, die wiederum mehr Straßen nötig macht."

Das Phänomen, dass neue Straßen mehr Verkehr anziehen, ist in der Wissenschaft als “induzierter Verkehr” bekannt.
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Um die Lebensqualität in der Stadt zu erhöhen, hält Emberger andere Ansätze für sinnvoller: Verkehrsberuhigung durch Verringerung des Straßenquerschnitts und Tempo 30. Diese Maßnahmen würden wiederum die Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger verbessern, so der Experte.

Laut Verkehrsmasterplan 2030 des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) soll die Mobilität bis 2040 klimaneutral sein. Dafür soll der Straßenverkehr in Österreich um 25% reduziert werden und der Anteil des motorisierten Individualverkehrs zugunsten sanfter Mobilitätsformen sinken.
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Beim Motorisierungsgrad, d.h. der Anzahl der Privat-KfZ pro 1000 Einwohner, liegt Österreich etwa im EU-Durchschnitt. Wie in fast allen EU-Staaten ist die Autodichte in den letzten Jahren weiter gestiegen – besonders stark in osteuropäischen Staaten wie Rumänien.
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"Verantwortungsvolle Politik darf nur noch Maßnahmen umsetzen, die klimafreundliches Mobilitätsverhalten begünstigen”, forderte Günter Emberger bei einem Pressegespräch in der besetzten Au und unterstützte den Protest.
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Seeds of Resistance

"They tried to bury us but they didn't know we were seeds"

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Das Klima-Camp in Lichtenwörth:
Ein Ort des Protests und der Gemeinschaft. Auf dem Feld von Hans Gribitz treffen sich Aktivisten:innen, um gegen die geplante Ostumfahrung zu kämpfen und für eine nachhaltige Zukunft einzutreten. Cleo, eine der Organisatorinnen, erzählt uns mehr.


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Cleo engagiert sich aus dem Wunsch heraus, Verantwortung zu übernehmen und eine gerechtere Zukunft zu gestalten. Das Camp bietet einen Vorgeschmack auf eine solidarische Gesellschaft, in der Care-Arbeit und Gemeinschaft großgeschrieben werden.
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Von der Wasserversorgung bis zur Pressearbeit – die Organisation des Camps bringt viele kleine und große Herausforderungen mit sich. Gemeinsam versucht das Team die Probleme zu lösen.

Ein sehr zentraler Aspekt des Gemeinschaftslebens im Klimacamp ist das gemeinsame Kochen. Die Aktivist:innen organisieren täglich Mahlzeiten, die aus gespendeten oder vor Ort angebauten Lebensmitteln zubereitet werden. Dies stärkt nicht nur den Zusammenhalt, sondern fördert auch ein nachhaltiges und bewussteres Konsumverhalten. Jeder und jede bringt sich ein, sei es beim Schneiden von Gemüse, dem Anheizen des Kochfeuers oder dem Aufräumen danach.

Cleo erzählt: "Es ist so, dass wir alle versuchen, diese Aufgaben kollektiv aufzuteilen. Das heißt, es gibt verschiedene Schichten und verschiedene Schichtpläne, wo man sich eintragen kann und da trage ich mich dann auch manchmal ein, so wie alle anderen auf diesem Camp auch."

Der Kochbereich wird so zu einem lebendigen Zentrum des Camps, wo nicht nur Essen, sondern auch Ideen und Geschichten ausgetauscht werden.




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Ob realistisch oder utopisch – Cleo wünscht sich, dass die Straße nicht gebaut wird und der Protest weitere Bewegungen inspiriert.
Sie appelliert: Der Kampf für Klimagerechtigkeit braucht die Unterstützung von allen. Nur durch kollektiven Widerstand kann eine klimagerechtere Zukunft erreicht werden. Informieren, aktiv sein und ein Zeichen für eine nachhaltige Zukunft setzen, das sind ihre Wünsche. 


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Outro

Die geplante Ostumfahrung von Wiener Neustadt hat die Menschen in Lichtenwörth in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die sich eine Entlastung des innerstädtischen Verkehrs erhoffen. Auf der anderen Seite stehen die Bauern und Aktivist:innenen, die für den Erhalt ihrer Felder und die Bewahrung der Natur kämpfen.

Der Widerstand gegen das Projekt zeigt, dass der Ruf nach zukunftsorientierten, nachhaltigen Lösungen immer lauter wird. Die Stimmen von Menschen wie Hans Gribitz, Christian Fenz und den Aktivist:innen im Klimacamp erinnern daran, dass echte Fortschritte nur durch Dialog, Zusammenarbeit und Rücksichtnahme auf die Umwelt und die kommenden Generationen möglich sind.

In Lichtenwörth geht der Protest weiter. Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob der Sommer 2024 tatsächlich der letzte Sommer auf dem Feld war.
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